Vor nicht allzu langer Zeit galt Kolumbien als Hoffnungsträger Lateinamerikas. Der Friedensvertrag mit der FARC-Guerilla im Jahr 2016 wurde weltweit gefeiert – als historischer Schritt nach über 50 Jahren Bürgerkrieg. Doch heute, knapp ein Jahrzehnt später, ist die Euphorie verflogen. Der Traum vom Frieden ist zerbrochen, und die Realität ist geprägt von Gewalt, Misstrauen und einer neuen Welle der Flucht.
Die Gründe sind vielschichtig. Zwar legten die FARC ihre Waffen nieder, doch das entstandene Machtvakuum wurde schnell von anderen bewaffneten Gruppen gefüllt: Paramilitärs, Drogenkartelle und neue Splittergruppen kämpfen um Einfluss in strategisch wichtigen Regionen. Besonders betroffen sind ländliche Gebiete, in denen staatliche Präsenz fehlt und die Bevölkerung schutzlos ist.
Die Regierung unter Präsident Gustavo Petro bemüht sich zwar um eine Wiederbelebung des Friedensprozesses, doch die Widerstände sind enorm. Die Eliten blockieren Reformen, die Justiz wird politisch unter Druck gesetzt, und soziale Proteste werden mit Repression beantwortet. Die versprochene Landreform, ein zentraler Bestandteil des Friedensabkommens, bleibt weitgehend aus – und damit auch die Hoffnung auf gerechtere Lebensbedingungen.
Besonders dramatisch ist die Lage für Menschenrechtsaktivistinnen und ehemalige FARC-Kämpferinnen. Über 220 von ihnen wurden seit der Demobilisierung ermordet. Wer sich für Frieden, Landrückgabe oder alternative Wirtschaftsmodelle einsetzt, lebt gefährlich. Die Kommission für Sicherheitsgarantien, die eigentlich Schutzmaßnahmen entwickeln sollte, wird von der Regierung ignoriert.
Die Folge: Tausende Menschen fliehen erneut – innerhalb des Landes oder über die Grenzen hinweg. Ganze Dorfgemeinschaften verlassen ihre Heimat, weil sie zwischen den Fronten zerrieben werden. Der Friedensprozess, einst Hoffnungsträger, ist für viele zur Falle geworden.
Dabei wäre ein dauerhafter Frieden möglich – wenn die politischen Akteure den Mut hätten, strukturelle Ursachen wie Landungleichheit, Armut und Korruption wirklich anzugehen. Doch stattdessen wird der Konflikt verwaltet, nicht gelöst. Die internationale Gemeinschaft schaut besorgt zu, doch konkrete Konsequenzen bleiben aus.
Kolumbien steht heute an einem Scheideweg. Der Friedensvertrag war nie das Ende, sondern nur der Anfang eines langen Prozesses. Doch ohne echten politischen Willen, ohne Schutz für die Zivilgesellschaft und ohne soziale Gerechtigkeit bleibt der Frieden eine Illusion.
Was bleibt, ist die Hoffnung – getragen von mutigen Menschen vor Ort, die trotz aller Rückschläge weiter für ein besseres Kolumbien kämpfen. Ihre Stimmen verdienen Gehör. Und ihre Sicherheit muss endlich Priorität haben.