
Am 11. März 2025 veröffentlichte die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl, ihren Bericht für das Jahr 2024. Dieser Bericht wirft ein Schlaglicht auf die zahlreichen Herausforderungen, mit denen die Bundeswehr auch drei Jahre nach der Ausrufung der Zeitenwende konfrontiert ist. In diesem Artikel werfen wir einen detaillierten Blick auf die größten Probleme, die die Bundeswehr derzeit plagen, und analysieren die Ursachen sowie mögliche Lösungsansätze.
Bündnis und Einsatz
Die Bundeswehr sieht sich im Zuge wachsender internationaler Verpflichtungen und sicherheitspolitischer Herausforderungen mit einer Vielzahl an Belastungen konfrontiert. Besonders ins Gewicht fällt die verstärkte Kräftebindung durch NATO-Pflichten, insbesondere an der Ostflanke. Angesichts der Bedrohung durch Russland müssen dauerhaft umfangreiche Kontingente gebunden werden. Ein konkretes Beispiel ist die geplante Stationierung einer schweren Kampfbrigade mit rund 4800 Soldatinnen und Soldaten in Litauen bis 2027.
Diese Anforderungen übersteigen zunehmend die personellen und materiellen Möglichkeiten der Bundeswehr, was die gleichzeitige Wahrnehmung nationaler sowie internationaler Aufgaben erschwert. Trotz des Endes großer Auslandseinsätze wie in Afghanistan oder Mali bleibt die Einsatzbelastung auf hohem Niveau. Ende 2024 waren 876 Soldatinnen und Soldaten in neuen Auslandseinsätzen gebunden, zusätzlich 921 dauerhaft an der NATO-Ostflanke.
Hinzu kommen einsatzgleiche Verpflichtungen, ständige Operationen der Marine und Luftwaffe im Indo-Pazifik sowie Ausbildungsmissionen für ukrainische Soldatinnen und Soldaten. Diese Belastung wird durch materielle und logistische Engpässe weiter verschärft, etwa durch Verzögerungen bei der Bereitstellung digitaler, kryptierfähiger Funkgeräte für die EFP Battle Group in Litauen oder durch unzureichenden Schutz vor aktuellen Bedrohungen wie Drohnen und Raketenangriffen in Einsatzgebieten wie dem Irak oder dem Libanon.
Bürokratie
Ein zentrales Problem der Bundeswehr ist die erhebliche Bürokratiebelastung, die nicht nur die tägliche Arbeit der Soldatinnen und Soldaten erschwert, sondern auch die Einsatzbereitschaft und Reaktionsfähigkeit der Truppe massiv beeinträchtigt. Ein erheblicher Teil der Arbeitszeit – laut einem Offizier bis zu 30% – wird durch administrative Aufgaben gebunden. Diese Belastung wird durch starre Verwaltungsstrukturen verstärkt, die kaum Flexibilität erlauben und damit eine schnelle Reaktion auf sich verändernde Lagen verhindern.
Besonders deutlich wird dies bei der Materialbeschaffung. Die Prozesse sind so komplex, dass selbst für einfache Alltagsgegenstände wie Druckerpapier umfangreiche Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen erforderlich sind. Viele Soldaten empfinden die Verfahren als übermäßig kompliziert und zeitaufwendig, was zu wachsender Frustration führt. Die Befehlsstruktur ist oft von unnötig detaillierten Regelungen geprägt, die über regulierte und mehrfach überarbeitete Befehle die Eigenverantwortung der Truppe einschränken.
Material
Die Bundeswehr steht vor tiefgreifenden Herausforderungen in Bezug auf ihre materielle Ausstattung und logistische Leistungsfähigkeit. Ein zentrales Problem ist die unzureichende und vielfach veraltete Ausrüstung, insbesondere im Bereich von Großgerät und Ersatzteilen. Die Verfügbarkeit von kampfentscheidenden Systemen wie Kampfpanzern, Schützenpanzern und Artilleriesystemen leidet massiv darunter, was direkte negative Folgen für Ausbildung, Übungstätigkeit und Einsatzbereitschaft der Truppe hat.
Die Einführung moderner kryptierfähiger Funk- und Kommunikationssysteme verläuft schleppend, während weiterhin veraltete und anfällige Systeme verwendet werden müssen. Besonders kritisch ist die Lage bei der ABC-Abwehr, wo grundlegende Einsatzweisungen fehlen und Teile der Ausrüstung veraltet oder nicht einsatzfähig sind. Dies gefährdet sowohl die Truppe als auch die Zivilbevölkerung im Falle eines atomaren, biologischen oder chemischen Angriffs erheblich.
Infrastruktur
Die infrastrukturelle Situation der Bundeswehr ist von gravierenden Mängeln geprägt, die sowohl die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Soldatinnen und Soldaten als auch die Einsatzbereitschaft der Truppe erheblich beeinträchtigen. Die häufige räumliche Trennung zwischen Wohnort und Dienstort führt zu hohen psychischen und physischen Belastungen sowie steigenden Pendlerkosten. In vielen Standorten werden Soldatinnen und Soldaten nicht ausreichend untergebracht, was die Suche nach bezahlbarem Wohnraum zusätzlich erschwert.
Ein weiteres Problem sind die desolaten baulichen Zustände vieler Kasernen und militärischer Gebäude. Schimmel, Wasserschäden und eine vernachlässigte Instandhaltung sind keine Einzelfälle. Zudem zieht sich die Sanierung von Truppenküchen und anderen Einrichtungen über Jahre hin, was die Einsatzfähigkeit weiter beeinträchtigt.
Personal
Die Bundeswehr steht vor einem gravierenden Personalproblem, das sich quer durch alle laufenden Gruppen zieht und zunehmend die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte gefährdet. Im Berichtsjahr waren rund 20% der militärischen Dienstposten oberhalb der Mannschaftsebene sowie knapp 28% der Mannschaftsdienstposten unbesetzt. Die Ursachen sind vielfältig, darunter der generelle Personalmangel und hohe Fluktuation.
Die Bundeswehr muss jährlich etwa 20.000 ausscheidende Soldaten ersetzen, was angesichts des demografischen Wandels und der starken Konkurrenz mit dem zivilen Arbeitsmarkt eine Herausforderung darstellt. Dazu kommen hohe Abbruchsquoten in der Anfangszeit, die die Attraktivität des Dienstes erheblich schmälert.
Ein zentraler Punkt ist der hohe Anteil an administrativen Tätigkeiten, die militärisches Fachpersonal übernehmen muss. Ärzte, Piloten oder IT-Spezialisten werden häufig für Aufgaben eingesetzt, die eigentlich von zivilem Personal übernommen werden könnten. Dies führt dazu, dass ihre spezifischen Kompetenzen nicht sinnvoll genutzt werden und die operative Verfügbarkeit sinkt.
Fazit
Die Probleme der Bundeswehr sind auch drei Jahre nach der Ausrufung der Zeitenwende nach wie vor gewaltig und seit langem bekannt. Obwohl mittlerweile genügend Geld zur Verfügung steht, um die Probleme, die mit Geld behoben werden können, anzugehen, wird eine wirkliche Verbesserung der Situation nur durch umfassende und tiefgreifende Reformen der verkrusteten und bürokratischen Prozesse und Strukturen erreicht werden können.
Ob die angehende Koalition den politischen Willen hat, bleibt abzuwarten. Die Bundeswehr benötigt dringend eine Reformoffensive, um die Herausforderungen in den Bereichen Personal, Material, Infrastruktur und Bürokratie anzugehen. Nur so kann die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte langfristig gesichert werden und die Bundeswehr ihrer Verantwortung als Teil der NATO und für die Sicherheit Deutschlands gerecht werden.