Aktien gelten als Schlüssel zur finanziellen Unabhängigkeit und Altersvorsorge. Doch während Männer zunehmend in ETFs, Einzelaktien und Fonds investieren, bleiben viele Frauen zurückhaltend. Laut einer aktuellen Studie der ING investieren nur rund 30 % der Frauen regelmäßig in Aktien, während es bei Männern über 50 % sind. Dieser Unterschied hat weitreichende Folgen – nicht nur für die individuelle Vermögensbildung, sondern auch für die gesamtgesellschaftliche Gleichstellung.
Weniger Einkommen, weniger Spielraumniger Einkommen, weniger Spielraum
Ein zentraler Faktor ist das Gender Pay Gap: Frauen verdienen in Deutschland im Schnitt 18 % weniger als Männer. Weniger Einkommen bedeutet weniger verfügbares Kapital für Investitionen. Wer jeden Euro zweimal umdrehen muss, priorisiert kurzfristige Sicherheit über langfristige Rendite. Hinzu kommt, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten – oft aus familiären Gründen – und dadurch weniger Rücklagen bilden können.
Risikoaversion und Finanzsozialisation
Studien zeigen, dass Frauen tendenziell risikoaverser sind als Männer. Während Männer eher bereit sind, Schwankungen am Aktienmarkt zu akzeptieren, bevorzugen Frauen sichere Anlageformen wie Tagesgeld oder Sparbücher – trotz niedriger Zinsen. Diese Haltung ist nicht angeboren, sondern sozial erlernt: In vielen Familien werden Jungen früh an wirtschaftliche Themen herangeführt, während Mädchen eher zur Sparsamkeit erzogen werden.
Finanzbildung spielt hier eine entscheidende Rolle. Laut einer Umfrage von Finanzfluss fühlen sich über 60 % der Frauen unsicher, wenn es um Börsenthemen geht – bei Männern sind es nur 35 %. Das zeigt: Der Gender Investment Gap beginnt nicht im Depot, sondern im Kopf.
Zeitmangel und mentale Belastung
Viele Frauen übernehmen zusätzlich zur Erwerbsarbeit einen Großteil der Care-Arbeit – also Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und Haushaltsorganisation. Das führt zu Zeitmangel und mentaler Belastung, die wenig Raum für strategische Finanzplanung lässt. Wer abends zwischen Kita-Logistik und Job jongliert, hat selten die Muße, sich mit ETFs oder Dividendenstrategien zu beschäftigen.
Finanz-Apps und Communitys: Wandel in Sicht?
Immer mehr Plattformen und Apps richten sich gezielt an Frauen – mit verständlicher Sprache, niedrigschwelligen Einstiegsmöglichkeiten und Community-Angeboten. Projekte wie „Madame Moneypenny“ oder „Finanzheldinnen“ zeigen, dass sich etwas bewegt. Auch Banken reagieren: Einige bieten mittlerweile frauenspezifische Beratung und Produkte an, die auf Lebensrealitäten wie Elternzeit oder Teilzeitmodelle abgestimmt sind.
Dennoch bleibt der Gender Investment Gap bestehen – und das hat Folgen: Frauen haben im Schnitt 40 % weniger Vermögen im Alter als Männer. Wer nicht investiert, verliert langfristig Kaufkraft und Unabhängigkeit.
Fazit: Finanzbildung ist Gleichstellungspolitik
Der Gender Investment Gap ist kein individuelles Versäumnis, sondern ein strukturelles Problem. Es braucht mehr finanzielle Bildung, gezielte Ansprache und politische Rahmenbedingungen, die Frauen den Zugang zu Kapital erleichtern. Denn wer nicht investiert, bleibt abhängig – und das betrifft nicht nur das eigene Konto, sondern die gesamte Gesellschaft.
Wenn Frauen genauso selbstverständlich investieren wie Männer, verändert sich nicht nur die Vermögensverteilung – sondern auch die Machtverhältnisse. Aktien sind kein Männerding. Sie sind ein Werkzeug für Selbstbestimmung. Und das sollte allen offenstehen.