Politische Erschütterungen in Großbritannien und Frankreich: Wenn Regierungen ins Wanken geraten

9 Oktober, 2025

Europa erlebt derzeit eine Phase politischer Instabilität, die besonders in Großbritannien und Frankreich sichtbar wird. Beide Länder, einst als stabile Demokratien mit klaren Mehrheitsverhältnissen bekannt, stehen nun vor tiefgreifenden Herausforderungen. Die Regierungsparteien verlieren an Rückhalt, neue politische Kräfte gewinnen an Einfluss – und die Frage nach der Regierungsfähigkeit wird immer drängender.

Großbritannien: Die Tories taumeln, Farage triumphiert

Im Vereinigten Königreich hat sich die politische Landschaft dramatisch verschoben. Die konservative Partei (Tories), die über ein Jahrzehnt das Land regierte, befindet sich im freien Fall. Interne Machtkämpfe, wirtschaftliche Stagnation und der anhaltende Brexit-Nachhall haben das Vertrauen der Bevölkerung erschüttert. In aktuellen Umfragen erreichen die Tories kaum mehr als 17 % – ein historischer Tiefstand.

Gleichzeitig erlebt die rechtspopulistische Reform UK unter Nigel Farage einen Aufschwung. Mit provokanten Forderungen zur Migrationspolitik und einem Anti-Establishment-Kurs dominiert Farage den öffentlichen Diskurs. Seine Partei liegt in Umfragen bei über 30 % und könnte bei der nächsten Wahl stärkste Kraft werden. Die klassischen Oppositionsparteien – Labour und die Liberal Democrats – wirken orientierungslos. Labour kämpft mit internen Konflikten, während die Lib Dems zwar zulegen, aber keine klare Strategie gegen den Populismus präsentieren.

Die britische Demokratie steht damit vor einer Zerreißprobe: Das Mehrheitswahlsystem begünstigt klare Sieger, doch die Fragmentierung der politischen Kräfte erschwert stabile Regierungsbildungen. Die Gefahr einer populistischen Machtübernahme ist real – und die politische Mitte sucht verzweifelt nach Antworten.

Frankreich: Macron unter Druck, das Parlament blockiertkreich: Macron unter Druck, das Parlament blockiert

Auch Frankreich erlebt eine Regierungskrise. Präsident Emmanuel Macron, der 2022 mit einem zentristischen Kurs antrat, hat keine eigene Mehrheit im Parlament. Nach dem Rücktritt von Premierminister Sébastien Lecornu – dem dritten Regierungschef innerhalb eines Jahres – steht Macron vor einem politischen Scherbenhaufen.

Das französische Parlament ist in drei Blöcke gespalten: Macrons Mitte, die linke Koalition und das rechtsextreme Rassemblement National unter Marine Le Pen. Keine Gruppe verfügt über eine tragfähige Mehrheit, und Kompromissbereitschaft ist Mangelware. Die Folge: Blockade, Haushaltskrise und wachsender Druck auf den Präsidenten.

Macron steht nun vor schwierigen Optionen: Er kann erneut einen Premierminister ernennen, das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen – oder im Extremfall selbst zurücktreten. Doch keine dieser Varianten garantiert Stabilität. Die Opposition fordert lautstark Veränderungen, und die Bevölkerung verliert zunehmend das Vertrauen in die politische Führung.

Besonders besorgniserregend ist die wirtschaftliche Lage: Frankreichs Staatsverschuldung liegt bei über 3,3 Billionen Euro, das Haushaltsdefizit bei fast 6 % des BIP. Die EU-Kommission hat bereits ein Verfahren wegen übermäßiger Neuverschuldung eingeleitet. Politische Instabilität und finanzielle Unsicherheit drohen sich gegenseitig zu verstärken.

Auswirkungen auf die EU und Deutschland: Wenn die Achse wankt

Die politischen Turbulenzen in Großbritannien und Frankreich treffen die EU ins Mark. Beide Länder sind – trotz des Brexits – zentrale Akteure in Europas Sicherheits-, Wirtschafts- und Energiepolitik. Eine geschwächte französische Regierung lähmt die deutsch-französische Achse, die traditionell als Motor europäischer Integration gilt. Gemeinsame Initiativen zur Haushaltsstabilisierung, Klimapolitik oder Verteidigung geraten ins Stocken. Für Deutschland bedeutet das: Verzögerungen bei grenzüberschreitenden Infrastrukturprojekten, Unsicherheiten in der Energiekooperation (z. B. Atomkraft vs. Erneuerbare) und ein erschwertes diplomatisches Umfeld. Auch die EU insgesamt verliert an Handlungsfähigkeit – etwa bei Migrationsfragen, der Reform des Stabilitätspakts oder der Positionierung gegenüber China und den USA. Die politische Instabilität in London und Paris könnte somit nicht nur nationale, sondern gesamteuropäische Reformprozesse gefährden.

Was Deutschland jetzt tun kann: Stabilität durch Diplomatie und Initiative

Angesichts der politischen Unsicherheiten in Großbritannien und Frankreich sollte Deutschland eine aktive Rolle als Stabilitätsanker in Europa übernehmen. Das bedeutet zunächst, die bilateralen Beziehungen zu beiden Ländern zu stärken – etwa durch den deutsch-britischen Freundschaftsvertrag und die Trinity-House-Verteidigungsvereinbarung, die gemeinsame Projekte in Sicherheit, Energie und Technologie fördern. Gleichzeitig kann Deutschland auf EU-Ebene für mehr Koordination und Krisenresilienz eintreten: etwa durch flexible Haushaltsmechanismen, strategische Kommunikation und gezielte Investitionen in europäische Infrastruktur. Auch innenpolitisch ist Klarheit gefragt: Eine transparente Außenpolitik, die die Bedeutung stabiler Nachbarn vermittelt, kann Vertrauen schaffen. Deutschland sollte sich als Vermittler positionieren – nicht belehrend, sondern partnerschaftlich – und dabei die europäische Idee gegen nationale Zentrifugalkräfte verteidigen.

Fazit: Europas Demokratien unter Druck

Die Entwicklungen in Großbritannien und Frankreich zeigen, wie fragil etablierte Demokratien sein können, wenn politische Lager zerfallen und populistische Kräfte erstarken. Die Regierungsparteien beider Länder stehen vor der Herausforderung, Vertrauen zurückzugewinnen, klare Programme zu präsentieren und die Spaltung ihrer Gesellschaften zu überwinden.

Für Europa insgesamt ist das eine Warnung: Ohne stabile Partner in London und Paris wird auch die EU politisch und wirtschaftlich geschwächt. Es braucht neue Formen der Zusammenarbeit, transparente Kommunikation und eine Rückbesinnung auf demokratische Grundwerte – bevor die politische Erosion unumkehrbar wird.

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