Die Zahlen sind erschütternd: Laut dem Bundeslagebild 2023 des Bundeskriminalamts wurden über 180.000 Frauen Opfer häuslicher Gewalt – ein Anstieg um 17 % innerhalb von fünf Jahren. Sexualstraftaten gegen Frauen stiegen um 28 %, digitale Gewalt sogar um 130 %. Diese Entwicklung ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines tief verwurzelten strukturellen Problems.
Gewalt ist kein Einzelfall – sie ist systemisch
Gewalt gegen Frauen ist nicht nur ein individuelles Verbrechen, sondern ein Spiegel gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Studien zeigen, dass patriarchale Rollenmuster, ökonomische Abhängigkeiten und mangelnde Gleichstellung zentrale Risikofaktoren sind. Besonders betroffen sind Frauen in Partnerschaften, Alleinerziehende und Migrantinnen – Gruppen, die oft wenig Zugang zu Schutz und Unterstützung haben.
Die Istanbul-Konvention, ein völkerrechtliches Abkommen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt, fordert eine ganzheitliche Strategie: Prävention, Schutz, Strafverfolgung und Datenaufbereitung. Deutschland hat sie ratifiziert – doch die Umsetzung bleibt lückenhaft.
Das Dunkelfeld bleibt groß
Die offiziellen Zahlen erfassen nur das sogenannte „Hellfeld“ – also Fälle, die angezeigt und polizeilich registriert wurden. Doch viele Betroffene schweigen aus Angst, Scham oder fehlendem Vertrauen in die Behörden. Victim Blaming, Täter-Opfer-Umkehr und familiärer Druck führen dazu, dass das tatsächliche Ausmaß der Gewalt deutlich höher liegt.
Besonders alarmierend: Femizide – also Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts – nehmen zu. Sie sind die extremste Form geschlechtsspezifischer Gewalt und zeigen, wie tödlich strukturelle Ungleichheit sein kann.
Betroffene kämpfen – und fordern Veränderung
Trotz aller Rückschläge gibt es Hoffnung. Immer mehr Frauen gehen an die Öffentlichkeit, gründen Selbsthilfegruppen, organisieren Demonstrationen und fordern politische Konsequenzen. Initiativen wie „Keine mehr“, „Terre des Femmes“ oder lokale Frauennetzwerke leisten wertvolle Arbeit – oft unter schwierigen Bedingungen.
Auch die Forschung zeigt Wege auf: Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) fordert mehr Präventionsangebote für Jungen und Männer, um Geschlechterrollen zu reflektieren und Gewalt vorzubeugen. Denn echte Veränderung beginnt nicht bei den Symptomen, sondern bei den Ursachen.
Was jetzt zu tun ist
Politik, Zivilgesellschaft und Institutionen müssen gemeinsam handeln. Dazu gehören:
- flächendeckende Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen
- verpflichtende Schulungen für Polizei und Justiz
- Aufklärungskampagnen in Schulen und Medien
- konsequente Strafverfolgung und Schutzmaßnahmen
- Förderung von Gleichstellung und ökonomischer Unabhängigkeit
Gewalt gegen Frauen ist kein Randthema – sie betrifft uns alle. Ein gerechteres Miteinander entsteht nicht durch Appelle, sondern durch strukturelle Veränderung. Es ist Zeit, hinzusehen, zu handeln und Solidarität zu zeigen.