In Gotha, Thüringen, erleben zwei Kommunalpolitiker der Grünen eine Realität, die weit entfernt ist von demokratischer Normalität. Morddrohungen, Sachbeschädigungen und körperliche Angriffe gehören für Felix Kalbe und Matthias Kaiser inzwischen zum Alltag. Ihr Hilferuf an die Parteispitze in Berlin ist ein verzweifelter Appell: „Grün-Sein“ sei im ländlichen Thüringen gefährlich geworden – beruflich wie privat.
Eskalation mitten am Tag
Der Auslöser für den offenen Brief war ein Angriff auf ein ehemaliges Stadtratsmitglied – mitten auf dem Marktplatz, am helllichten Tag. Der Täter beschimpfte das Opfer mit Worten wie „Du grüne Sau, dich hängen wir auf“ und schlug ihm schließlich auf die Brust43dcd9a7-70db-4a1f-b0ae-981daa162054. Für Kalbe ist das eine neue Eskalationsstufe, die zeigt, wie tief die politische Aggression inzwischen reicht.
Rückzug aus der Öffentlichkeit
Immer mehr Parteimitglieder ziehen sich zurück. Die Angst vor Angriffen ist real – und sie betrifft nicht nur die Grünen. Auch Politiker anderer Parteien, etwa der SPD, wurden bereits Opfer von Brandanschlägen und Drohungen. Die demokratische Mitte scheint zu erodieren, besonders in Regionen, in denen rechtsextreme und populistische Kräfte an Einfluss gewinnen.
Appell an die Parteispitze und Innenminister
Kalbe und Kaiser fordern personelle Unterstützung und mehr Präsenz vor Ort. Nach dem Ausscheiden der Grünen aus dem Thüringer Landtag fehlt es an Infrastruktur und hauptamtlichen Ansprechpartnern. Ein neues Büro des Parteichefs Felix Banaszak in Brandenburg wird begrüßt – doch Kalbe warnt: Es dürfe kein „Leuchtfeuerprojekt“ bleiben.
Auch Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) wurde angeschrieben. Die bisherigen Handlungsempfehlungen – etwa, nachts nicht allein unterwegs zu sein – reichen laut Kalbe nicht aus. Es brauche mehr Prävention, Aufklärung und Dialog, besonders in Schulen und Vereinen.
Demokratie braucht Mut und Schutz
Trotz der Bedrohungen will Kalbe nicht aufgeben. Doch er fragt sich, wann der Kipppunkt erreicht ist – jener Moment, an dem Thüringen für ihn keine Heimat mehr sein kann. Sein Appell ist klar: Demokratie darf nicht zur Mutprobe werden. Politiker brauchen Schutz, Rückhalt und eine Gesellschaft, die sich gegen Hass und Gewalt stellt.