In einer Zeit, in der der Verlust der biologischen Vielfalt und die Auswirkungen des Klimawandels immer spürbarer werden, hat die Europäische Union ein starkes Zeichen gesetzt: Mit dem Nature Restoration Law (Verordnung zur Wiederherstellung der Natur) wurde im August 2024 ein wegweisendes Gesetz verabschiedet, das die ökologische Wende in Europa maßgeblich vorantreiben soll.
Was ist das Nature Restoration Law?
Das Nature Restoration Law ist die erste umfassende Gesetzgebung auf EU-Ebene, die sich ausschließlich der Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme widmet. Es ist ein zentraler Bestandteil der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 und zielt darauf ab, den alarmierenden Zustand der europäischen Natur zu verbessern: Über 80 % der Lebensräume in der EU befinden sich derzeit in einem schlechten ökologischen Zustand.
Ziele und Verpflichtungen
Das Gesetz verpflichtet alle Mitgliedstaaten, bis 2030 mindestens 20 % der Land- und Meeresflächen mit konkreten Maßnahmen zur Wiederherstellung zu versehen. Bis 2050 sollen alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme in der EU erfasst und wiederhergestellt werden.
Zu den wichtigsten Zielen gehören:
- Wiederherstellung von Feuchtgebieten, Wäldern, Flüssen, Graslandschaften und Meeresökosystemen
- Förderung der Bestände von Bestäubern wie Bienen und Schmetterlingen
- Renaturierung von 25.000 km Flüssen zu frei fließenden Gewässern
- Erhalt und Ausbau urbaner Grünflächen und Baumkronenbedeckung
- Stärkung der Biodiversität in Agrar- und Forstökosystemen
Warum ist dieses Gesetz so wichtig?
Die Natur erbringt unzählige „Ökosystemleistungen“, die für unser tägliches Leben unverzichtbar sind: sauberes Wasser, fruchtbare Böden, Bestäubung von Nutzpflanzen, Schutz vor Überschwemmungen und vieles mehr. Der Verlust dieser Leistungen durch degradierte Ökosysteme gefährdet nicht nur die Umwelt, sondern auch unsere wirtschaftliche und soziale Stabilität.
Studien zeigen, dass jeder investierte Euro in die Wiederherstellung der Natur zwischen 4 und 38 Euro an Nutzen generieren kann – sei es durch verbesserte Gesundheit, höhere landwirtschaftliche Erträge oder geringere Kosten für Katastrophenschutz.
Umsetzung durch nationale Wiederherstellungspläne
Jeder Mitgliedstaat ist verpflichtet, einen nationalen Wiederherstellungsplan zu erstellen. Darin müssen konkrete Maßnahmen, Zeitpläne, Finanzierungsquellen und erwartete Vorteile – insbesondere im Hinblick auf Klimaanpassung und -schutz – dargelegt werden. Diese Pläne sollen den unterschiedlichen geografischen, ökologischen und wirtschaftlichen Bedingungen der Länder Rechnung tragen.
Herausforderungen und Kritik
Trotz der ambitionierten Ziele ist das Gesetz nicht unumstritten. Einige Interessensgruppen, insbesondere aus der Landwirtschaft und Forstwirtschaft, äußerten Bedenken hinsichtlich möglicher Nutzungseinschränkungen. Die EU-Kommission betont jedoch, dass das Gesetz nicht auf Stilllegung, sondern auf nachhaltige Nutzung und ökologische Aufwertung abzielt.
Zudem wird betont, dass die Wiederherstellung der Natur Hand in Hand mit wirtschaftlicher Entwicklung gehen kann – etwa durch Förderung nachhaltiger Landwirtschaft, Ökotourismus oder naturbasierter Lösungen im Hochwasserschutz.
Fazit
Das Nature Restoration Law ist ein Meilenstein für den europäischen Umweltschutz. Es bietet nicht nur eine Antwort auf den Biodiversitätsverlust, sondern auch eine Chance, unsere Lebensgrundlagen langfristig zu sichern. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie entschlossen die Mitgliedstaaten diesen Weg gehen – doch der Rahmen ist gesetzt, und die Richtung stimmt: zurück zur Natur, für eine lebenswerte Zukunft.