Chinas Automarkt im Ausnahmezustand: Wenn der Preiskampf zur Überlebensfrage wird

28 Juni, 2025

Der chinesische Automarkt, einst Wachstumsmotor und Innovationslabor der globalen Autoindustrie, steht 2025 unter massivem Druck. Ein gnadenloser Preiskrieg, Überkapazitäten und eine schwächelnde Inlandsnachfrage bringen selbst große Hersteller ins Wanken. Was wie ein normaler Wettbewerb aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als existenzielle Krise – mit globalen Auswirkungen.

Der Ursprung des Preissturzes

Der Auslöser für die aktuelle Eskalation war eine drastische Preissenkung des Marktführers BYD im Mai 2025. Mit Rabatten von bis zu 34 Prozent auf bestimmte Modelle wollte das Unternehmen Marktanteile sichern – und löste damit eine Kettenreaktion aus. Über 40 Hersteller zogen nach, darunter auch internationale Marken wie Tesla und Volkswagen. Der Preisverfall betrifft vor allem Elektroautos, die in China mittlerweile fast die Hälfte aller Neuzulassungen ausmachen.

Doch der Preiskampf ist kein Zeichen gesunder Konkurrenz, sondern Ausdruck struktureller Probleme: Die Produktionskapazitäten sind zu groß, die Nachfrage stagniert, und viele Hersteller schreiben rote Zahlen. Die durchschnittliche Auslastung der Werke liegt laut Branchenangaben bei nur noch 49,5 Prozent.

Folgen für Hersteller und Marktstruktur

Die Konsequenzen sind dramatisch. Kleine und mittelgroße Hersteller geraten zunehmend unter Druck. Einige mussten bereits Insolvenz anmelden oder fusionieren, um zu überleben. Selbst etablierte Marken wie Great Wall Motor warnen vor einem „Evergrande-Moment“ für die Autoindustrie – in Anlehnung an den spektakulären Zusammenbruch des Immobilienriesen.

Die chinesische Regierung hat inzwischen reagiert und 16 führende Hersteller zu Krisengesprächen nach Peking geladen. Ziel ist es, den ruinösen Wettbewerb einzudämmen und die Branche zu konsolidieren. Erste Maßnahmen wie strengere Zahlungsfristen und Exportkontrollen wurden bereits angekündigt.

Internationale Auswirkungen

Der Preiskampf bleibt nicht auf China beschränkt. Viele Hersteller versuchen, ihre Fahrzeuge ins Ausland zu verkaufen – oft zu Dumpingpreisen. Besonders brisant: Einige Autobauer deklarieren fabrikneue Fahrzeuge als „Gebrauchtwagen“, um Exportzölle zu umgehen. Diese Praxis sorgt international für Kritik und könnte zu neuen Handelskonflikten führen.

Zudem geraten ausländische Hersteller in China zunehmend ins Hintertreffen. Während chinesische Marken ihren Marktanteil auf über 69 Prozent steigern konnten, verlieren westliche Anbieter an Boden. Die EU und die USA prüfen bereits Gegenmaßnahmen, etwa durch Anti-Subventionsverfahren oder höhere Importzölle.

Fazit: Ein Markt am Scheideweg

Chinas Automarkt steht vor einer tiefgreifenden Transformation. Der aktuelle Preiskrieg ist Ausdruck eines überhitzten Systems, das dringend strukturelle Reformen braucht. Ohne eine nachhaltige Marktbereinigung droht nicht nur der Verlust von Arbeitsplätzen und Innovationen, sondern auch eine Destabilisierung des globalen Automobilsektors.

Die kommenden Monate werden zeigen, ob China die Kurve bekommt – oder ob der größte Automarkt der Welt zum Krisenherd für die gesamte Branche wird.

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