Die Vision war ambitioniert: Stahlproduktion ohne Kohle, stattdessen mit grünem Wasserstoff und erneuerbarem Strom – ein Meilenstein auf dem Weg zur klimaneutralen Industrie. Doch mit der Entscheidung von ArcelorMittal, seine Pläne für eine CO₂-arme Stahlproduktion in Bremen und Eisenhüttenstadt vorerst auf Eis zu legen, gerät dieses Zukunftsbild ins Wanken. Was bedeutet das für die Umwelt, die Industrie und die Glaubwürdigkeit der deutschen Klimapolitik?
Der Traum vom grünen Stahl
Stahl ist das Rückgrat der modernen Industrie – von Autos über Brücken bis zu Windkraftanlagen. Gleichzeitig ist die Stahlproduktion einer der größten industriellen CO₂-Emittenten weltweit. In Deutschland verursacht sie rund 30 % der industriellen Emissionen. Grüner Stahl, hergestellt mit Wasserstoff statt Koks, sollte diese Bilanz drastisch verbessern. Die Bundesregierung stellte dafür Milliardenhilfen bereit – allein ArcelorMittal hätte 1,3 Milliarden Euro erhalten.
Warum ArcelorMittal aussteigt
Trotz der Förderzusagen zieht sich ArcelorMittal zurück. Der Grund: fehlende Wirtschaftlichkeit. Die Preise für grünen Wasserstoff sind hoch, die Infrastruktur – etwa Wasserstoffpipelines – ist unzureichend, und die Stromkosten in Deutschland zählen zu den höchsten in Europa. Der Konzern sieht unter diesen Bedingungen kein tragfähiges Geschäftsmodell. Ein herber Rückschlag – nicht nur für das Unternehmen, sondern für die gesamte Branche.
Umweltauswirkungen: Ein verpasster Hebel
Die Entscheidung hat direkte Folgen für den Klimaschutz. Die geplante Umstellung hätte jährlich Millionen Tonnen CO₂ eingespart. Stattdessen wird weiterhin mit fossilen Brennstoffen produziert – mit entsprechendem CO₂-Ausstoß. Das bedeutet: Die Stahlindustrie bleibt ein Klimasünder, und die deutschen Klimaziele rücken in weitere Ferne.
Zudem sendet der Rückzug ein fatales Signal: Wenn selbst mit staatlicher Unterstützung kein grüner Umbau gelingt, wie sollen dann kleinere Unternehmen folgen? Die Gefahr besteht, dass andere Projekte ins Stocken geraten oder gar aufgegeben werden – mit langfristigen Folgen für Umwelt und Wettbewerbsfähigkeit.
Hoffnungsträger bleiben – vorerst
Nicht alle geben auf: Thyssenkrupp, Salzgitter und SHS halten an ihren Dekarbonisierungsplänen fest. Doch auch sie fordern schnellere Genehmigungen, verlässliche Rahmenbedingungen und vor allem: eine funktionierende Wasserstoffinfrastruktur. Ohne diese bleibt grüner Stahl ein teures Versprechen.
Fazit: Grüner Stahl braucht mehr als gute Absichten
ArcelorMittals Rückzug ist ein Weckruf. Die Transformation der Industrie gelingt nicht allein durch Fördergelder – sie braucht stabile politische Rahmenbedingungen, bezahlbare Energie und eine funktionierende Infrastruktur. Nur dann kann grüner Stahl Realität werden – und seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Denn eines ist klar: Ohne eine klimafreundliche Stahlproduktion wird Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen. Und die Umwelt zahlt den Preis für jedes Jahr, das ungenutzt verstreicht.