Die NATO hat sich auf ein neues, ambitioniertes Ziel verständigt: Bis zum Jahr 2035 sollen alle Mitgliedsstaaten mindestens fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für verteidigungsrelevante Ausgaben. Diese Entscheidung, die kurz vor dem NATO-Gipfel in Den Haag getroffen wurde, markiert einen historischen Wendepunkt in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik des westlichen Bündnisses.
Was steckt hinter dem 5-Prozent-Ziel?
Das neue Ziel setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: 3,5 Prozent des BIP sollen in klassische Verteidigungsausgaben wie Personal, Ausrüstung und militärische Infrastruktur fließen. Weitere 1,5 Prozent sind für verteidigungsnahe Bereiche vorgesehen – darunter Cyberabwehr, Resilienzmaßnahmen, Unterstützung für Partnerstaaten wie die Ukraine sowie Investitionen in kritische Infrastruktur wie panzertaugliche Brücken oder strategisch wichtige Bahnverbindungen.
Damit geht die NATO weit über das bisherige Zwei-Prozent-Ziel hinaus, das 2014 nach der Annexion der Krim durch Russland vereinbart wurde. Damals galt es als ambitioniert – heute erscheint es vielen als unzureichend angesichts der sicherheitspolitischen Herausforderungen, die sich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, hybride Bedrohungen und geopolitische Spannungen im Indo-Pazifik verschärft haben.
Einigung trotz Widerstand
Die Einigung kam nicht ohne Reibungen zustande. Besonders Spanien hatte sich gegen das neue Ziel ausgesprochen. Ministerpräsident Pedro Sánchez kritisierte die starre Prozentvorgabe als „unvereinbar mit unserem Sozialstaat“ und forderte eine flexiblere Formel. Letztlich wurde jedoch ein Kompromiss gefunden, der es einzelnen Staaten erlaubt, ihre Beiträge differenziert zu gestalten – etwa durch Investitionen in Fähigkeiten statt rein prozentualer BIP-Berechnungen.
Auch andere Länder wie Italien äußerten Bedenken, insbesondere hinsichtlich der Finanzierung und der sozialen Auswirkungen. Dennoch war der Druck – insbesondere aus den USA – groß. Ex-Präsident Donald Trump hatte bereits in seiner ersten Amtszeit wiederholt höhere Verteidigungsausgaben gefordert und mit einem möglichen Austritt der USA aus dem Bündnis gedroht. Die jetzige Einigung wird daher auch als Signal an Washington verstanden: Europa ist bereit, mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit zu übernehmen.
Was bedeutet das für Deutschland?
Für Deutschland bedeutet das neue Ziel eine erhebliche Steigerung der Verteidigungsausgaben. Derzeit liegt die Quote bei etwa 2,1 Prozent des BIP – ein Wert, der erst seit Kurzem erreicht wird. Um auf fünf Prozent zu kommen, müsste der Verteidigungshaushalt mehr als verdoppelt werden. Das stellt die Bundesregierung vor große Herausforderungen: Neben der Finanzierung geht es auch um die Frage, wie die Bundeswehr strukturell und personell auf diese Investitionen vorbereitet werden kann.
Gleichzeitig bietet das Ziel auch Chancen: Die Rüstungsindustrie könnte durch langfristige Planungssicherheit gestärkt werden Bereich der Verteidigungstechnologie könnten gefördert und die europäische Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich intensiviert werden.
Ein Signal der Geschlossenheit
Die Einigung auf das 5-Prozent-Ziel ist mehr als nur eine Zahl. Sie ist ein politisches Signal – an Russland, an China, aber auch an die eigenen Bevölkerungen. Die NATO zeigt damit Geschlossenheit und Entschlossenheit, ihre Verteidigungsfähigkeit zu stärken und sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen.
Ob das Ziel bis 2035 tatsächlich erreicht wird, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch: Die sicherheitspolitische Landschaft Europas verändert sich – und mit ihr auch die Rolle der NATO.