Donald Trump wird der nächste Präsident der USA und im Gegensatz zu seiner ersten Amtszeit ist er diesmal bestens vorbereitet. Sowohl personell als auch programmatisch steht die republikanische Partei größtenteils hinter ihm. Beide Kammern des Kongresses sind in republikanischer Hand und auch der Supreme Court ist auf seiner Linie. Kurz gesagt, Trump ist wesentlich besser vorbereitet und wird wesentlich mehr durchsetzen können als in seiner ersten Amtszeit. Nun müssen die Welt und insbesondere die Europäer einen Weg finden, mit ihm in den nächsten vier Jahren umzugehen. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die sicherheitspolitischen Auswirkungen des Trump-Siegs.
NATO und die Verteidigungsausgaben
Eine gute Nachricht vorab: Trump wird sehr wahrscheinlich nicht aus der NATO austreten. Bereits während des Wahlkampfs war von einem Austritt keine Rede mehr, und aufgrund gesetzlicher Änderungen könnte er dies auch gar nicht so einfach alleine entscheiden. Allerdings muss Trump die NATO auch gar nicht verlassen, um sie zu unterminieren. Eine Erklärung seinerseits, dass Artikel 5 für ihn null und nichtig sei, würde bereits ausreichen.
Trumps Hauptanliegen hinsichtlich der NATO ist klar: „Pay the bills“. Er wird einfordern, dass die Europäer wesentlich mehr Geld für Verteidigung ausgeben. Trump hat mehrfach deutlich gemacht, dass er Länder, die die Rechnung nicht bezahlen, nicht verteidigen würde. Im Gegenteil, er würde Putin sogar ermutigen, zu tun, was auch immer er wolle. Dies sollte nicht als Drohung, sondern als Versprechen verstanden werden.
Die meisten Experten sind sich einig, dass es rund 3% des BIPs für Verteidigung bedarf, um die neuen Fähigkeitsziele der NATO zu erfüllen. Wenn die Europäer Trump in der NATO halten wollen, sollten sie also wesentlich mehr Geld für Verteidigung ausgeben, um für Washington ein attraktiver Partner zu werden.
Abgesehen von mehr Geld für die Verteidigung gibt es auch viele gute Deals, die Trump in der NATO halten könnten. Nichts liebt er mehr als Milliarden schwere Deals. Es könnte sinnvoll sein, ein paar weitere F-35-Kampfflugzeuge und Patriot-Flugabwehrsysteme von den USA in den nächsten vier Jahren zu erwerben. Trump könnte mit einem guten Deal prahlen, und die Europäer könnten damit ihre eigene Verteidigungsbereitschaft stärken.
Die Dormant NATO
Ein weniger positives Szenario für die europäischen NATO-Staaten ist die Idee der „Dormant NATO“, wie sie von Sumantra Maitra, Direktor für Forschung und Öffentlichkeitsarbeit am American Ideas Institute, beschrieben wird. Diese bedeutet, dass die USA lediglich als stiller Teilnehmer agieren, während die Europäer die konventionelle Abschreckung und Verteidigung gegenüber Russland selbst stemmen müssen. Die Lasten sollen also nicht mehr gleichmäßig zwischen den USA und Europa verteilt, sondern vollständig an die Europäer abgegeben werden.
Die USA würden im Konfliktfall zwar immer noch eine wichtige Rolle spielen, aber nur in dem Maße, wie dies nicht die US-Verteidigung in Asien schwächen würde. Dieses Szenario würde die Europäer vor enorme Herausforderungen stellen und sie dazu zwingen, erheblich mehr in ihre Verteidigung zu investieren.
Sicherheitspolitische Auswirkungen des Russland-Ukraine Krieges
Ein weiteres wichtiges Thema sind die sicherheitspolitischen Auswirkungen des Russland-Ukraine Krieges. Trump möchte den Krieg so schnell wie möglich beenden. Er hat sogar behauptet, dass er den Krieg in 24 Stunden beenden könnte, wenn er Präsident wäre. Auch wenn dies äußerst unwahrscheinlich erscheint, wird der Krieg wahrscheinlich im nächsten Jahr enden oder zumindest eingefroren.
Ein möglicher Deal würde unweigerlich auch Zugeständnisse an Russland beinhalten, wie beispielsweise die Anerkennung von erobertem Territorium oder den Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. In den Verhandlungen könnten nur Russland, die Ukraine und die USA beteiligt sein, was die Irrelevanz der Europäer in der Sicherheitspolitik verdeutlicht.
Die militärische Unterstützung durch die USA könnte stark nachlassen, wenn nicht sogar komplett eingestellt werden. Die Europäer werden kaum in der Lage sein, dies zu kompensieren, auch wenn sie es theoretisch könnten. Sollte es zu einem Deal kommen, muss sich Putin auf Zugeständnisse einlassen, was unter anderem die Stationierung von Friedenstruppen aus europäischen NATO-Staaten beinhalten könnte.
Der Nahost-Konflikt
Trump steht ganz klar an der Seite Israels und wird gegenüber dem Iran eine Politik des maximalen Drucks verfolgen. Während seiner ersten Amtszeit unternahm Trump umstrittene Schritte zur Unterstützung Israels, wie die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels und die Verlegung der US-Botschaft. Experten gehen davon aus, dass Trump in seiner zweiten Amtszeit diesen Weg fortsetzen wird und beispielsweise auf die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien drängen wird.
Im Gaza-Konflikt wird Trump Israel den Rücken stärken, jedoch gleichzeitig auf ein baldiges Ende der Kampfhandlungen drängen. Aussagen wie „let Israel finish the job“ verdeutlichen dies. Trump könnte sogar drohen, dass es für die Hamas und deren Unterstützer die „Hölle los sein wird“, sollte es keine Fortschritte bei der Freilassung von Geiseln geben.
Chinas Rolle und die Taiwan-Frage
Trump wird auch einen harten Kurs gegenüber China fahren, da dieses Land als größte Bedrohung für die Sicherheit und Interessen der USA angesehen wird. Es wird erwartet, dass Trump die Gefolgschaft der Verbündeten einfordert, jedoch werden die Europäer aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von China vor Herausforderungen stehen.
Insbesondere in Bezug auf Taiwan könnte Trump von den Europäern ein stärkeres Engagement erwarten. Sollten die Europäer diesem Druck nicht nachkommen, könnte dies zu Spannungen in den transatlantischen Beziehungen führen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Europäer in den nächsten vier Jahren unter Trump vor großen Herausforderungen stehen. Sie müssen ihre Verteidigungsausgaben erheblich erhöhen, möglicherweise auf 3% des BIPs, und sich auf eine mögliche Dormant NATO einstellen. Zudem wird die europäische Sicherheitspolitik stark von den Entwicklungen im Russland-Ukraine-Konflikt und den Beziehungen zu Israel und dem Iran beeinflusst werden.
Die Europäer sollten die nächsten vier Jahre nutzen, um ihre eigene Abhängigkeit von den USA zu verringern und die konventionelle Abschreckung und Verteidigung gegenüber Russland selbst zu gewährleisten. Dies wird eine der größten Herausforderungen für die nächste Bundesregierung sein. Sollten Deutschland und die Europäer scheitern, drohen düstere Zeiten, in denen nicht mehr die USA, sondern Russland die Vormachtstellung in Europa innehat.