Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist auf der Suche nach neuen Verbündeten, die über die bestehenden Allianzen mit dem Westen hinausgehen. Schon seit längerem strebt er einen Beitritt zur BRICS-Gruppe an, einem Bündnis aus wirtschaftlich potenten Schwellenländern und den führenden Nationen Russland und China. Die BRICS-Staaten sollen ein Gegengewicht zur westlich geprägten Weltordnung bilden.
Die Türkei wird ihre Ziele nicht erreichen, indem sie sich allein am Westen orientiert. Erdoğan glaubt, dass die Türkei ein starkes, wohlhabendes, angesehenes und effizientes Land werden kann, wenn sie gleichzeitig Beziehungen sowohl zum Westen als auch zum Osten pflegt. Doch die Türkei ist bereits NATO-Mitglied und EU-Beitrittskandidat. Was erhofft sich Erdoğan also aus dem BRICS-Bündnis?
Erdoğan und die Suche nach neuen Allianzen
Die Beziehungen Ankaras zu seinen westlichen Verbündeten sind bereits angespannt. Erdoğan strebt eine unabhängigere Außenpolitik an und will den globalen Einfluss seines Landes stärken. Laut Experten war Erdogans Politik schon immer ein Drahtseilakt; er möchte überall einen Fuß in der Tür haben und nutzt jede Gelegenheit, um den Westen, Russland, die USA und China gegeneinander auszuspielen. Die BRICS-Gruppe bietet ihm dafür wohl eine geeignete Gelegenheit.
Er ist auch enttäuscht von der Europäischen Union. Seit Jahrzehnten führt die Türkei Beitrittsgespräche ohne nennenswerte Fortschritte. Brüssel begründet die Verzögerungen auch mit dem Demokratieabbau unter Erdoğan, was die Handlungsmöglichkeiten der Türkei weiter einschränkt. Daher schaut sich Ankara längst nach Alternativen um.
Wirtschaftliche Perspektiven durch BRICS
Die Umorientierung der Türkei geht auch darauf zurück, dass es kaum gelingt, engere Wirtschaftsbeziehungen mit Europa zu erzielen, was zu einem hohen Maß an Frustration geführt hat. Eine Mitgliedschaft in BRICS könnte der türkischen Wirtschaft helfen, die unter Erdoğan zuletzt geschwächelt hat. BRICS wurde 2009 gegründet und setzt sich ursprünglich aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika zusammen. Inzwischen hat der Wirtschaftsblock neun Mitglieder, die mehr als ein Drittel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften.
Eine Mitgliedschaft in BRICS könnte ausländische Direktinvestitionen aus diesen Ländern, insbesondere aus China, erleichtern. Chinesische Elektroautohersteller haben sich zuletzt sehr interessiert gezeigt, in der Türkei zu investieren. Dies könnte Erdoğan helfen, seine wirtschaftlichen Ziele zu erreichen und die türkische Wirtschaft zu stabilisieren.
Kritik und Bedenken
Kritiker sehen in BRICS jedoch vor allem ein Werkzeug russischer und chinesischer Einflussnahme und eine Plattform für autoritäre Regierungen. Die Frage bleibt, was eine Aufnahme der Türkei für die Beziehungen zwischen Ankara und dem Westen bedeuten würde. Eine solche Entwicklung wäre eine große Sache, und die Länder der Europäischen Union sowie die westlichen Verbündeten der Türkei würden nicht positiv reagieren.
Aus türkischer Sicht könnte dies jedoch auch als Zeichen der Verzweiflung interpretiert werden, um dem Westen zu zeigen, dass die Türkei dringend mehr Aufmerksamkeit benötigt. Es ist ein riskantes politisches Spiel, und es bleibt unklar, ob und wann die Türkei in die BRICS-Staaten aufgenommen werden würde.
Die geopolitischen Implikationen
Bereits vier neue Mitglieder sind in diesem Jahr zum Bündnis beigetreten, und einige dieser Länder haben signalisiert, dass sie vorerst keine weiteren Neuzugänge wünschen und lieber in der Warteschlange bleiben. Dies könnte die türkischen Ambitionen zusätzlich erschweren und die Verhandlungen über einen Beitritt in die BRICS-Gruppe weiter hinauszögern.
Erdoğan könnte dennoch versuchen, seinen Einfluss in der BRICS-Gruppe zu nutzen, um die geopolitische Position der Türkei zu stärken. In einem zunehmend multipolaren internationalen Umfeld könnte die Türkei versuchen, sich als Brücke zwischen Ost und West zu positionieren.
Fazit
Die Ambitionen der Türkei, Teil der BRICS-Gruppe zu werden, sind mehr als nur ein wirtschaftliches Unterfangen; sie spiegeln auch Erdogans Strategie wider, die geopolitische Landschaft zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Indem er versucht, mit verschiedenen Mächten zu jonglieren, könnte Erdoğan in der Lage sein, die Türkei in eine stärkere Position zu bringen, sowohl regional als auch global. Ob dies gelingt, hängt jedoch von vielen Faktoren ab, einschließlich der Reaktionen der bestehenden Allianzen und der Stabilität der türkischen Innenpolitik.