Waren aus der ganzen Welt. Häufig günstig und ständig verfügbar. Ein Ergebnis der Globalisierung. Wird dies künftig so bleiben? Oder müssen wir uns auf neue Zeiten einstellen? Es gibt Kräfte, die die Welt von Grund auf verändern. Es geht Autokratie gegen Demokratie. Wir haben eine verschwindende Weltordnung und wir haben noch keine neue. Wenn die Welt in einem schlechten Zustand ist, dann ist das schlecht für die Außenwirtschaft. Globalisierung wird für Deutschland überlebenswichtig letztendlich sein. Aber wird der freie Welthandel, so wie wir ihn kennen, überleben?
Die Abhängigkeit von globalen Lieferketten
Der Fall der Ever Given im Suezkanal zeigt, was geschieht, wenn das Versprechen nahtloser Warenströme nicht mehr eingelöst werden kann. Es dauert knapp ein Jahr, bis die streng getakteten Lieferketten wieder laufen. Es war ein Unfall, dass die Ever Given im Suezkanal steckenblickte. Ein Rädchen im Getriebe, das eine Arterie verstopfte und zu einem Herzstillstand führte. Das könnte an vielen Schlüsselstellen in der Welt passieren.
Wenn die Zahnräder der Globalisierung nicht mehr greifen, ist das gerade für Deutschland ein Problem. Unsere Computer, Drucker, Smartphones und Tablets kommen zu fast einhundert Prozent aus dem Ausland. Aber dieser Handel läuft in beide Richtungen. Deutschland ist gleichzeitig Exportweltmeister im Maschinenbau und bei chemischen Produkten, Luxusautos und Spezialwerkzeugen.
Globalisierung bedeutet ja für uns, wir handeln, wir investieren, wir beziehen Güter aus dem Ausland, wir exportieren Güter ins Ausland, wir beziehen Dienstleistungen aus dem Ausland. Als Pionier eröffnete Siemens 1904 ein Büro in Schanghai. In Mexiko rollte 1967 der erste Käfer vom Band. Die Globalisierung verschafft deutschen Firmen günstige Arbeitskräfte und Vorprodukte und wirtschaftlich abgehängten Regionen im Laufe der Jahrzehnte Aufschwung und Wohlstand.
Die Profiteure und Verlierer der Globalisierung
Deutschland ist einer der großen Profiteure der Globalisierung. Fünfzig Prozent unseres Wohlstands hängt am Export. Deutschland ist ein absoluter Gewinner der Globalisierung. Wir sind in die Weltmärkte integriert wie fast kein anderes Land in der Welt. In der Nachkriegszeit, aber auch in den siebziger- und achtziger Jahren und auch heute noch ist die Globalisierung oder Integration in die Weltmärkte eine ganz wichtige Säule für unseren Wohlstand.
Deshalb werden vor allem deutsche Firmen zum Taktgeber dieser Entwicklung. Als sich China zaghaft für die Weltwirtschaft öffnet, sind deutsche Unternehmen sofort zur Stelle. 1984 landete Bundeskanzler Helmut Kohl in Peking. Es herrschte Goldgräberstimmung. Kein Land Europas wird derart vom Aufstieg Chinas profitieren wie Deutschland.
Aber Deutschland und andere westliche Staaten verfolgen mit der internationalen wirtschaftlichen Verflechtung noch ein zweites Ziel. Das ist der politische Teil der Globalisierung. Eine der großen Hoffnungen, die mit internationalem Handel und Investitionen verbunden war, ist, dass Globalisierung und Öffnung nicht nur zu wirtschaftlichen Wohlfahrtseffekten und Einkommenseffekten positiver Natur führen, sondern auch letztendlich zu einer politischen Öffnung und Demokratisierung von Ländern.
Die Schattenseiten der Globalisierung
Pirmasens in der Pfalz zeigt, dass die Globalisierung auch ihre Schattenseiten hat. Einst war die Stadt die Hochburg des Schuhmacherhandwerks. In den über dreihundert Schuhfabriken waren zu Hochzeiten zweiunddreißigtausend Menschen beschäftigt. Aber die meisten Betriebe gingen ein. Wegen der hohen Lohnkosten mussten sie schließen oder ihre Produktion ins Ausland verlagern.
Zwischen 1978 und 2014 gingen in Pirmasens fast ein Drittel aller Arbeitsplätze verloren. Einige Firmen sind noch da, so wie die Bernd Hummel Holding. Sie residiert in einem frisch renovierten Industriedenkmal. Bernd Hummel begann seine Karriere als Schuhfabrikant 1968, aber schon bald musste auch er kämpfen gegen billige Konkurrenz aus dem Ausland.
Die Fabrik musste ich schließen und einen neuen Weg einschlagen. Der hieß dann Schuhe aus Ungarn und Bulgarien, preiswertere Schuhe als die, die man hier produzieren konnte, aber in der Qualität eben nicht schlechter. Bernd Hummel surfte mit auf der Welle der Globalisierung. Seine Schuhmodelle produziert er im Ausland, seine Firma floriert, während Pirmasens bis heute unter den Folgen der Globalisierung leidet.
Die politischen Implikationen
Der russische Angriff auf die Ukraine verändert alles. Wir haben eben auch gerade erleben müssen, dass es Zeiten gibt, in denen nicht wirtschaftlicher Erfolg zählt, sondern die Ausdehnung geopolitischer Macht. Das ist, glaube ich, der wichtigste Wechsel, den wir gerade erleben, dass nicht mehr die Geoökonomie den Vorrang hat, sondern wieder zurück sind in Zeiten des Vorrangs der Geopolitik. Also Geografie und Macht sozusagen, die wieder versuchen, den Vorrang zu bekommen.
Jetzt sind wir plötzlich über Nacht zurück in einer Welt, wo die Geopolitik wieder dominant wird. Und das bedeutet natürlich, dass seit diesem Tag eigentlich die Wirtschaftsordnung wieder sehr viel stärker auch auf Resilienz schaut, nicht nur auf Effizienz. Die ganze Zeit dieser Globalisierung war eigentlich komplett ausgerichtet, wie können wir ein möglichst effizientes ökonomisches System bauen? Und plötzlich dann über Nacht hat man realisiert, das genügt nicht.
Die Lenker von BlackRock, die die Globalisierung am schlagkräftigsten befeuerten, sind heute die größten Warner. Denn der russische Angriffskrieg hat die Grundfesten der Weltwirtschaft endgültig erschüttert. Ist dies der Beginn eines neuen Zeitalters? Die Globalisierung ein Auslaufmodell? Die Unternehmen könnten die Handelsströme umleiten und neue Partner suchen, aber es stehen größere Umwälzungen bevor.
Die Herausforderung der Rohstoffabhängigkeit
Die USA verwehren China den Zugang zu Schlüsseltechnologien. Auch andere westliche Staaten beteiligen sich an dem Embargo. Ein Frontalangriff. Die USA und China befinden sich eindeutig in einem Wirtschaftskrieg. Die technologischen Beschränkungen, die die Vereinigten Staaten vornehmen, sind eine Form von Ressourcennationalismus. Ich nenne es Technow-how Nationalismus. Jeder schränkt ein, was er hat und kontrolliert.
Die Eskalationsgefahr, die wir jetzt zurzeit beobachten, ist riesig groß und wird mit großen, großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verlusten einhergehen. Wenn man weiß, wir wollen jetzt alles elektrisch machen, die dafür nötigen Mineralien sind aber im chinesischen Besitz und die dafür nötigen Industrien auch. Also wir werden schon miteinander umgehen müssen. Und das Problem ist ja nicht, dass China eine geopolitische Strategie hat, sondern dass wir keine haben.
Die Politik hat dazugelernt. Sie will Deutschland absichern und plant deshalb wie hier bei Magdeburg den Bau einer Chipfabrik. Damit soll Deutschlands Eigenversorgungsquote steigen, von derzeit zehn auf zwanzig Prozent. Nach dem Ever Given Unglück hatten sich die Lieferketten wieder halbwegs eingespielt. Nun bedrohen Raketen der Huthi-Milizen Handelsschiffe im Roten Meer.
Die Zukunft der Globalisierung
Die Weltordnung formiert sich neu. Deshalb steht auch die Weltwirtschaft am Scheideweg. Manche sprechen sogar von einem neuen, unsichtbaren Krieg. In diesem Krieg gibt es eine Reihe unsichtbarer Frontlinien. Dazu gehören Technologie, Rohstoffe und Finanzen. Wir können sie nicht wirklich sehen. Sie kommen nicht in den Abendnachrichten vor, also denken wir auch nicht darüber nach. Aber es sind Frontlinien in einem brutalen Krieg zwischen Großmächten.
Ich glaube, dass wir heute viel brutalere Kriege führen als während des Kalten Krieges. Und das sollte uns nachts wachhalten. Die Zeit, wo wir immer nach China verkaufen konnten und das Gas immer günstig aus Russland kam und wir daraus Wirtschaftsmodelle generieren konnten, sie ist erst einmal vorbei. Ich persönlich glaube und das sage ich mit großer Dringlichkeit und großem Ernst, dass diese Zeit eine Wasserscheidenzeit ist. Wir wissen nicht genau, wie es in den nächsten Jahren weitergeht.
Deswegen meine ich, wir müssen die Dinge anders machen und auch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen. Für den grünen Wirtschaftsminister ist das ein schmaler Grat. Jeder hier im Saal weiß, dass die deutsche Wirtschaft auf China als Handelspartner nicht verzichten kann. Und das gilt auch für andere Autokratien. Denn sie sind die Wachstumsmärkte der Zukunft. Es gibt Menschheitsherausforderungen, die wir nicht werden bewältigen können, ohne auch mit den Autokratien zusammenzuarbeiten.
FAQ
Was bedeutet Globalisierung für Deutschland?
Globalisierung bedeutet für Deutschland den Handel und Austausch von Waren und Dienstleistungen weltweit. Deutschland ist stark in die Weltmärkte integriert und profitiert wirtschaftlich davon.
Welche Risiken bringt die Globalisierung mit sich?
Ein hohes Maß an Abhängigkeit von globalen Lieferketten macht Deutschland anfällig für Störungen. Politische Konflikte und geopolitische Spannungen können die Versorgungssicherheit gefährden.
Wie wirkt sich der Ukraine-Konflikt auf die Globalisierung aus?
Der Ukraine-Konflikt zeigt, dass geopolitische Macht wieder eine größere Rolle spielt. Die Wirtschaftsordnung muss sich stärker auf Resilienz konzentrieren und nicht nur auf Effizienz.
Welche Rolle spielen Rohstoffe in der Globalisierung?
Rohstoffe sind essenziell für die Produktion vieler Güter. Die Abhängigkeit von bestimmten Ländern, insbesondere China, bei der Beschaffung von Rohstoffen kann zu Versorgungsengpässen führen.
Kann Deutschland auf den Handel mit China verzichten?
Der Handel mit China ist für die deutsche Wirtschaft von großer Bedeutung. Eine völlige Abkopplung von China ist derzeit nicht realistisch, da China ein wichtiger Absatzmarkt und Lieferant von Vorprodukten ist.
Ist die Globalisierung ein Auslaufmodell?
Die Globalisierung steht vor großen Herausforderungen und könnte sich wandeln. Eine völlige Abkehr von der Globalisierung ist jedoch unwahrscheinlich, da internationale Verflechtungen tief verwurzelt sind.
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