Die Gewerbesteuer-Oasen: Wie Konzerne Kommunen gegeneinander ausspielen

16 Juli, 2024

Monheim am Rhein, eine kleine Stadt am Rhein, hat sich in den letzten Jahren zu einer bemerkenswerten Erfolgsgeschichte entwickelt. Trotz einer einstmals hohen Verschuldung kann die Kommune heute ihren Bürgern kostenlose Kita-Plätze, sanierte Schulen, kostenlosen öffentlichen Nahverkehr und teure Kunst im öffentlichen Raum bieten. Wie ist das möglich? Die Antwort liegt in der Steuerpolitik der Stadt.

Der Weg zur Steueroase

Monheim war einmal hochverschuldet, bis die Kommune den Gewerbesteuerhebesatz drastisch senkte. Heute hat Monheim den niedrigsten Gewerbesteuerhebesatz in ganz Nordrhein-Westfalen und lockte so Hunderte von Firmen in die Stadt. Die Gewerbesteuereinnahmen sprudelten daraufhin, sodass Monheim zum “Wunder am Rhein” wurde – symbolisiert durch einen kostspieligen künstlichen Geysir auf einer Verkehrsinsel.

Doch dieses “Wunder” geht auf Kosten anderer Nachbargemeinden, sagen Kritiker. Denn viele Unternehmen, die in Monheim ihren Sitz haben, produzieren weiterhin in den Nachbarstädten, zahlen dort aber keine Gewerbesteuern mehr. So auch der Chemiekonzern Bayer, der zwar weiterhin in Dormagen produziert, seine Gewinne aber in Monheim versteuert.

Steuerwettbewerb zwischen Kommunen

Die Gewerbesteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen für Kommunen in Deutschland. Sie dient dazu, die kommunale Infrastruktur wie Schulen, Straßen oder Feuerwehr zu finanzieren. Jede Gemeinde kann den Gewerbesteuerhebesatz selbst festlegen – und genau das nutzen manche Kommunen, um Unternehmen anzulocken.

Monheim senkte seinen Hebesatz Schritt für Schritt, bis er heute bei nur 250% liegt. Zum Vergleich: Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 403%. Für ein Unternehmen mit 100.000 Euro Gewinn bedeutet das eine Ersparnis von rund 40% Gewerbesteuer, wenn es seinen Sitz nach Monheim verlegt.

Dieses Vorgehen wird von Experten als “Steuerdumping” kritisiert. Denn die Kommunen, die ihre Steuersätze anheben müssen, um ihre Infrastruktur zu finanzieren, verlieren dadurch Unternehmen und Steuereinnahmen. So auch Dormagen, das trotz des großen Chemiestandorts hoch verschuldet ist und dringend sanierungsbedürftige Schulen hat.

Briefkastenfirmen in Monheim

Nicht nur Großkonzerne wie Bayer oder Henkel haben ihren Firmensitz nach Monheim verlegt, um Steuern zu sparen. In der Stadt gibt es auch zahlreiche Briefkastenfirmen, die offenbar nur auf dem Papier existieren, um von den niedrigen Steuersätzen zu profitieren.

Bürovermietungsfirmen in Monheim bieten sogenannte “virtuelle Büros” an – mit Postweiterleitung und Festnetzanschluss, aber ohne tatsächliche Geschäftstätigkeit vor Ort. Experten sehen hier den Verdacht auf Steuerhinterziehung, den die Behörden jedoch nur schwer nachweisen können.

Folgen für die Kommunen

Der Steuerwettbewerb zwischen den Kommunen hat gravierende Folgen: Städte wie Dormagen, die ihre Gewerbesteuereinnahmen verlieren, müssen an vielen Stellen sparen. Sanierungen von Schulen und Infrastruktur werden verschoben, wichtige Investitionen können nicht getätigt werden.

Monheim selbst hat inzwischen wieder Schulden in Millionenhöhe angehäuft, um seine ehrgeizigen Projekte wie den Bau einer Kulturraffinerie oder einer riesigen Schulsportanlage finanzieren zu können. Experten befürchten, dass die Stadt langfristig in den Nothaushalt rutschen könnte.

Reformbedarf auf Bundesebene

Um die Gewerbesteueroasen zu bekämpfen, fordern Experten eine Reform des Gewerbesteuergesetzes auf Bundesebene. Dazu gehört eine Anhebung des Mindesthebesatzes, um den ruinösen Steuerwettbewerb zwischen den Kommunen einzudämmen.

Bislang zeigt die Bundesregierung jedoch wenig Interesse an einer solchen Reform. Finanzminister Christian Lindner sieht keinen Handlungsbedarf und vertraut stattdessen auf die Kräfte des freien Marktes. Für viele Kommunen bleibt die Situation damit weiterhin eine große Herausforderung.

Made with Videotoblog

Das Video zum Artikel

Vorheriger Beitrag

Mallorca und der Massentourismus: Eine Insel am Limit

Nächster Beitrag

NATO unter Druck: Wie geeint und stark ist das Bündnis?

GeheNach oben

Don't Miss